Dieses Alpina-Herrenrad, dessen Baujahr ich in den 60ern verorte, wurde mir von einem Kollegen angeboten, um es vor der anstehenden Entsorgung zu bewahren. Ein Scheunenfund-Klassiker sozusagen. Natürlich sagte ich zu, ohne lange zu überlegen. Wäre doch schade darum, oder? Mit diesem Projekt möchte ich die Sektion Bikekitchen eröffnen.
Immerhin verfügt es über eine, für damalige Verhältnisse, moderne 3-Gang-Rücktrittnabe von Sachs, in Verbindung mit einer Torpedo-Schaltung. Diese gilt wohl bis heute als eine der Zuverlässigsten ihrer Art. Gemessen am Alter ist der Stahlrahmen in einem guten Zustand und weist erstaunlich wenig Rost auf.
Die Reifen haben schon besser Tage gesehen, denn anstatt zu rollen, bröseln die nur noch. Auch das vordere Schutzblech hat es ziemlich hinter sich und die Vorderradbremse kann man wohl nicht unbedingt als verkehrssicher bezeichnen. Schwamm drüber. Wer will schon mit einer Uralt-Felgenbremse herumfahren? Hier bietet sich eine Modernisierung an! Eine Scheibenbremse wäre doch eine tolle Sache. Das schreit nach einer technischen Unterredung mit dem Rocketman! Der bietet mir zwar bereitwillig seine Schweißkünste an, fordert jedoch eine andere Gabel. Zu alt, zu windig, zu rostig sei die Originale.
Den Rat befolgend, war nach kurzer Zeit das passende Spenderrad gefunden. Mit Abstand eines der häßlichsten Teile, das sich je in meinem Besitz befand. Die Gabel wirkt jedoch solide und auch der Lenker ist brauchbar. Gerne hätte ich davon auch noch die 5-Gang-Nabe übernommen, doch leider war diese nicht mehr wiederzubeleben. Also erstmal die Gabel von der unsäglichen Farbe befreien und danach einen ersten Testaufbau wagen.
Und tatsächlich, es passt! Das Fahrrad quietscht und knarzt beim Pedalieren erbärmlich, aber es fährt. Das Tretlager muss zerlegt und gefettet werden, die Kette schreit nach Öl. Das ist jedoch das geringste Problem. Die Schaltung arbeitet nach kurzer Einstellarbeit wie am ersten Tag und durch den Lenker ergibt sich eine bequeme Sitzposition. Die Canti-Bremse funktioniert zwar immerhin besser als das Original, jedoch noch immer unzufriedenstellend. Also die Gabel wieder ausbauen und ab damit zum Schweißkünstler.
Der macht das Ganze natürlich nicht zum ersten Mal und entsprechend gut sieht das Endergebnis aus. Zur optischen Abrundung werden am Schluss noch die Cantisockel entfernt. In der Zwischenzeit habe ich einen passenden Nabendynamo (Shimano DH-3D32 Disc QR) bestellt und eingespeicht. Den Seitenläufer wollte ich nicht mehr verwenden, da dieser eher die Bezeichnung Power-to-Noise-Generator verdient hat.
Das originale Frontlicht wollte ich ursprünglich weiterverwenden, jedoch war dieses bereits derart porös, dass es mir bei der Demontage regelrecht wegbröselte. Also wurde kurzerhand noch eine optisch einigermaßen passende LED-Lampe dazu geordert. Das Rücklicht wurde mit einem zweiadrigen Kabel versorgt und das Glühbirnchen darin funktionierte sogar noch. Nun noch die hydraulische Scheibenbremse (Shimano MT-200) an den Klassiker montieren, Leitung kürzen, entlüften.
Nach den ersten Testkilometern kann man sagen: es läuft und fährt sich dazu erstaunlich bequem! Die Scheibenbremse verzögert zuverlässig, wie zu erwarten. Vorne Scheibe, hinten Rücktritt, das hat definitiv nicht jeder! Kurzum: Die unzähligen Arbeitsstunden haben sich gelohnt.
Natürlich ist die Abstufung der 3-Gang-Nabe nicht mit der einer modernen Schaltung zu vergleichen. Doch wenn die Gerade lang genug ist, dann läuft das alte Stahlross locker seine 45 km/h. Ob man diese Geschwindigkeit lange halten kann oder will, ist eine andere Sache. Ein schönes Fahrrad für eine gemütliche Sonntagsrunde in die Stadt oder zur Teilnahme an einer Critical Mass, ist der modernisierte Klassiker allemal. Wenn man nun noch ein paar Katzenaugen dran baut, dann ist er sogar StVO-konform.
Weitere hilfreiche Tipps zum Thema gibt es hier: Biketuning fürs Volk.